Seit Jahren gibt es einen Trend, nicht unbedingt weg von der eigenen Website (obwohl es auch das immer häufiger gibt), hin zu den sogenannten Sozialen Medien. Viele Menschen, die das Internet nutzen weil sie möglichst viele Menschen erreichen wollen, verzichten auf den Aufwand, eine eigene Seite zu erstellen und zu pflegen. Gar nicht zu reden vom technischen Alltags-Kleinkram wie Updates, Plugins, neuen Layouts und gesetzlichen Anpassungen.
Das ist zu einem guten Teil verständlich. Allerdings wie so oft auch gefährlich, wenn man ohne Plan B auf eine Lösung setzt, die man nicht selbst in der Hand hat. Als Journalist, der seine Arbeit jahrelang ausschließlich in fremde Hände gelegt hat, war mir nie klar, wie man alle seine Inhalte (wenn es nicht wirklich nur die täglichen Befindlichkeits-Meldungen sind) ganz aus der Hand geben kann. Das Internet, so schien es mir, war doch endlich die Lösung, wie man selbst veröffentlichen konnte und unabhängig war. Eine Zeit lang schien auch das Ausweichen auf Soziale Medien ja ganz gut zu funktionieren, auch ohne eigene Website oder ohne eigenes Blog.
In regelmäßigen Abständen aber – und jetzt wieder – ändern Soziale Websites wie Facebook oder Twitter ihre Spielregeln: Facebook feilt unverdrossen an einem Algorithmus, der uns Nutzern immer das zeigen soll, was uns am meisten interessiert. Aus Facebook-Sicht natürlich.
Nun hat man aus deren Sicht natürlich ganz viele Daten, was ich mir ansehe, wem ich folge, wo ich drauf klicke. Andererseits hat Facebook natürlich auch ganz konkrete eigene Vorstellungen davon, was ich mir ansehen sollte.
Die Folge ist, dass ich an jedem Tag, an dem ich Facebook aufrufe, die Einstellungen ändern muss – für mein Profil und Seiten: Statt der sogenannten Hauptmeldungen oder dem, was Facebook dafür hält, muss ich händisch einstellen, dass ich die neuesten Nachrichten sehen will. Und auch dann bin ich mir nicht sicher, ob ich pünktlich alle neuen Inhalte derjenigen Facebook-Seiten und -Profile sehe, für die ich mich interessiere.
Jetzt feilt Facebook wieder an seinem Algorithmus, und wieder geht ein Aufschrei durch die Gemeinde: Die einen ahnen schon, dass das ihnen Gezeigte künftig eher noch mehr mit den kommerziellen Interessen Facebooks zusammenhängt, als mit ihren eigenen. Und schließlich zittern auch diejenigen, die alle ihre Inhalte auf die Karte Facebook gesetzt haben, um „ihr” Publikum zu erreichen: Wird die mühsam aufgebaute Anhängerschaft künftig überhaupt noch so erreicht, wie man sich das wünscht?
Jetzt ist Facebook nicht mehr alleine mit diesem Vorgehen: Auch bei Twitter will man dem Markt entgegenkommen. Zuerst war nur die Rede von der Aufhebung der 140-Zeichen-Beschränkung. Was in meinen Augen damit gleichkommt, einen ganz anderen Dienst zu schaffen. Aber gut. Nun soll auch bei Twitter ein Algorithmus die strikte Chronologie der Neuigkeiten von verbandelten Twitter-Accounts ablösen. Das heißt: Ein weiteres Mal entscheidet jemand anhand der eigenen Interessen darüber, was wir zu sehen bekommen.
Wer für die Sozialen Medien lebt, ist vielleicht erschüttert über diese Entwicklung, zu recht. Wer aber schon immer Facebook, Twitter & Co. lediglich als Zweit-Wohnung für seinen Inhalte, Artikel, Fotos betrachtet hat, der setzt auch künftig auf die eigenen vier Wände. Nach dem Motto „My home is my castle” kann man hier weiterhin walten und gestalten, wie man will. Natürlich gelten auch hier die Regeln, nach denen man anderswo publiziert: Gefällige Aufmachung, knappe und prägnante Inhalte, Leserbindung und was immer man sich auch in den vergangenen Jahren zum Aufbau einer Anhängerschaft angelesen hat. Aber letztlich stellt man seine eigenen Regeln auf, passt sie an oder verwirft sie auch wieder.
Im eigenen Haus, also seiner eigenen Website, legt man selbst fest, was die Besucher sehen, in welcher Reihenfolge sie es sehen und wie lange. Und als ich neulich wieder auf den Rat stieß, Links zu anderen Seiten als Facebook irgendwie zu „verstecken”, weil Facebook logischerweise seine Besucher nicht auf externe Seiten schicken will, hat mich das bestärkt. Darin, dass die Sozialen Medien für mich auch weiterhin eine Spielwiese bleiben werden: Mitmachen, solange man Spass hat, nicht zu viel Zeit und Arbeit dort investieren und beobachten, wie diese Seiten genutzt werden. Die eigenen Inhalte für umme wegzugeben an jemanden, er erklärtermaßen daraus Gewinn ziehen will, ist ja sowieso eine seltsame Sache.
Die eigene Baustelle wird auf unabsehbare Zeit für mich die wichtigere bleiben. Natürlich kann auch Google (mal wieder) einige Änderungen vornehmen und die eigene Website erscheint dann seltener in Suchergebnissen. Und natürlich gibt es immer noch genug Regeln und Regeländerungen, die man auf der eigenen Website befolgen muss. Aber zumindest ich fühle mich hier lange nicht so fremden Interessen ausgeliefert.